Im gleichen Jahr, am 26. September, beschloss die Stadtverordnetenversammlung Langensalza ein Aktienunternehmen zu gründen und stellte dafür 10.000 Taler bereit. Daraufhin ging es Schlag auf Schlag. Herr Ingenieur Lehmicke erbat sich vom Magistrat und der Regierung des Landes die Genehmigung zur Errichtung einer “Gasbereitungs- und Gasbewahrungsanstalt”. Im Regierungsblatt auf Seite 136 und Nr. 573 wurde die Genehmigung öffentlich bekannt gemacht und war damit rechtskräftig. Im “Langensalzaer Kreisblatt” Nr. 48 vom 1.Juli 1863 auf S. 254 veröffentlichte Herr Lehmicke eine Werbeannonce, in der er um Gasabnahme bat.
Schon Mitte 1863 wurde mit dem Verlegen der Rohre begonnen. Mit einem Schlag wurde die Stadt Langensalza “nachts” erhellt, denn 183 Straßen- und 63 Richtungslaternen versorgten seit Bestehen des Gaswerkes die Stadt. Nur ganz wenige Öllampen in den äußersten Bezirken wurden noch eine zeitlang betrieben.
Verbesserung erfuhr die Gastbeleuchtung im Jahre 1896 durch Gasglühstrümpfe, wozu auch die durch die Einführung der elektrischen Beleuchtung entstandene Konkurrenz wesentlich anspornte. Einen großen Abbruch hat dies der Gasanstalt nicht getan.
Das Gas wurde aber auch zum Betreiben von Gasmotoren und zu Koch- und Heizzwecken verwand.
Die Gaspreise betrugen damals:
• für die Straßenbeleuchtung 12,5 Pf/m³
• für Leuchtgas in städtischen Gebäuden 15,0 Pf/m³
• für Leuchtgas in den Haushalten 20.0 Pf/m³
• für Gas zu technischen Zwecken 14,0 Pf/m³
Das Gaswerk wurde von Herrn Lehmicke bis zum Jahre 1893 betrieben. Danach gehörte es bis zum 31. März 1918 der “Allgemeinen- Gas- Aktiengesellschaft Magdeburg”. Ab 1. April 1918 ist es für 310. 000 Mark in den Besitz der Stadt übergegangen. Herr Stadtrat Albert Kallenberg unterzeichnet im Auftrag des Magistrat die Verkaufsurkunde.
Eine Anzeige im “Langensalzaer Tageblatt” vom 27. Oktober 1930 berichtete von und um Arbeit im Gaswerk:
ALTES UND NEUES VOM GASWERK
Das Gaswerk Langensalza wurde 1862/63 erbaut. Zuerst waren Oefen mit 2 bis 3 Retorten, später mit 3 bis 4 Retorten mit Rostfeuerung vorhanden. Mitte der 80er Jahre fand nach dem Besitzwechsel ein weiterer Ausbau des Gaswerkes statt. Durch Verbreiterung der Ofenhülsen wurden Oefen mit 4 bis 6 Retorten geschaffen und Hal-Generatorfeuerung eingerichtet. In diesem Zustand blieb das Werk bestehen bis zu dem in diesem Jahre (1930) erfolgten Umbau. Im Jahre 1919 wurde als Zusatzanlage eine Koks- oder Wassergasanlage errichtet. Im Jahre 1929 wurde diese Koks- oder Wassergasanlage zu einer Krackanlage umgebaut und kann mit derselben jetzt durch Einspritzung von Braunkohlenteer in eine glühende Kokssäule Gas mit beliebigem Heizwert hergestellt werden. Am 31. März 1930 wurde der Auftrag zur Errichtung einer Kleinkammerofenanlage erteilt, am 24. Juli 1930 wurde mir der Trockenheizung des neuen Ofens begonnen, und am 25. August 1930 wurde der neue Kleinkammerofen in Betrieb genommen.
Wie schon das Wort Kleinkammerofen besagt, besteht dieser Ofen nicht mehr aus gestampften Retorten, sondern aus gemauerten Kammern. Es sind 6 Kammern vorhanden. Jede Kammer ist i. M. 0,35 Meter breit und 0,80 Meter hoch, die Tiefe der Kammer beträgt 3,80 Meter. Bei voller Beanspruchung des Ofens können mit diesem täglich 3200 Kubikmeter Gas von 4200 Wärmeeinheiten erzeugt werde. Zur Zeit werden mit dem Ofen nur 1500 – 1700 Kubikmeter Gas je Tag erzeugt. Er ist also beim jetzigen Gasbedarf nur zu 50 Prozent ausgenutzt.
Die Wirtschaftlichkeit des neuen Kleinkammerofens gegenüber den alten Retortenöfen besteht in der Hauptsache darin, dass mit dem neuen Ofen in einer Anlage aus 100 Kilogr. Guter Gaskohle rund 50 Kubikmeter Mischgas von 4200 Wärmeeinheiten erzeugt werden, während mit den alten Oefen nur 31 bis 32 Kubikmeter Steinkohlengas von gleichem Heizwert erzeugt werden konnten. Beim alten Retortenöfenbetrieb war als Zusatzanlage die Koks- und Wassergasanlage sehr oft in Betrieb. Es wurde also bisher Steinkohlengas und Wassergas in zwei besonderen Anlagen hergestellt und dann gemischt, während dies bei den neuen Oefen, wie schon gesagt, in einer Anlage geschieht. Die Steinkohlengas- und Wassergaserzeugung in dem Kleinkammerofen ist eine kontinuierliche.
Beim Ausstoßen des Kokses aus den Kammern bleiben 1-1,30 Meter glühender Koks in jeder Kammer zurück und wird durch diese glühende Koksmasse eine bestimmte Menge hocherhitzter Dampf zu Wassergasbildung geleitet.
Das im hinteren Teil der Kammern erzeugte Wassergas mischt sich mit dem im Vorderteil der Kammer erzeugten Kohlengas sehr vorteilhaft und wird dann mit diesem gemeinsam den übrigen Apparaten zugeführt. Das auf diese Weise in dem Kleinkammerofen, im sogenannten Naßbetrieb erzeugte Wassergas wird wesentlich billiger hergestellt, als dies bisher in der Wassergasanlage möglich war. Beim Betrieb der Wassergasanlage musste nicht nur der Koks immer wieder heiß bzw. glühend geblasen werden, sondern es musste zur Dampferzeugung auch noch ein separater Dampfkessel geheizt werden. Bei der neuen Anlage ist ein Rauchröhren- Abhitzedampfkessel von 10 Quadratmeter Heizfläche in den Unterbau des Kleinkammerofens eingebaut, und dieser Kessel wird durch die Abgase kostenlos geheizt. Die kostenlos erzeugte Dampfmenge ist so groß, dass außer dem benötigten Dampf für Wassergaserzeugung noch genügend Dampf zur Beheizung der Betriebsräume übrig bleibt.
Der Unterfeuerungsverbrauch an der neuen Anlage ist um etwa 8 v. H. geringer, als bei der alten Anlage, was auf die gute Ausnützung der Heizgase zur Vorwärmung der Oberluft zurückzuführen ist. Die an dem neuen Ofen zu leistende Handarbeit ist eine äußerst geringe. Sie beschränkt sich in der Hauptsache auf die Bedienung der Motoren für die Kohlenaufzugseinrichtung und der Lade- und Stoßmaschine. Bei der jetzigen Ofenleistung wird alle drei Stunden eine Kammer mit 400 Kilogr. Kohle geladen. Die Ausstehzeit der Kohle, d.h. die zum Entgasungsprozess benötigte Zeit, beträgt 18 Stunden. Es werden täglich 8 Kammern geladen, der ganze Arbeitsvorgang erfordert je Kammer nur eine Zeit von höchstens 15 Minuten. Es sind also täglich nur 8 x 15 Minuten oder rund 2 Stunden Arbeitszeit für die Bedienung der Ofenanlage erforderlich. Die zu leistende Handarbeit ist also eine sehr geringe, dafür hat die technische Arbeit, d. h. die Überwachung, Unterhaltung und Reparatur der maschinellen Anlage, wesentlich zugenommen.
Der Arbeitsvorgang ist kurz beschrieben folgender:
Die Gasnutzkohle in der Korngröße von 5 bis 25 Millimeter wird mittels eines Elektroaufzuges in einen Kohlebunker befördert, der so groß ist, dass er den Kohlebedarf für einen Tag aufnimmt. Von diesem Kohlebunker aus wird die zu jeder Kammerfüllung benötigte Kohlenmenge in einen Messtrichter gefüllt und fließt von da, nach Öffnung des Bodenschiebers, der Kohlenschleuder zu. Sie wird mit großer Geschwindigkeit in die Kammern geschleudert, die bis zur Decke mit Kohle gefüllt werden. Nach der Ausstehzeit wird der glühende Koks mit der Stoßvorrichtung aus der Kammer heraus , nach der Ausstoßseite, gedrückt, hier von einem Kokskorb aufgenommen, abgelöscht und auf einer Hängebahn nach dem Kokslagerplatz abgefahren. In der Lade- und Ausstoßmaschine sind 3 Motoren eingebaut, die die Schleuder, den Stößel und die Auf- und Abwärtsbewegung der Maschine betätigen.
Ein Vorteil der neuen Anlage besteht darin, dass mit der Ausnahme der Lade- und Ausstoßzeit der einzelnen Retorten, die ganze Anlage ohne Tauchung arbeitet und das Gas ungehindert von den Öfen abziehen kann. Nur beim Ladeprozeß wird das Steigrohr der betreffenden Retorte mit einem Wasserverschluss versehen. Zur Erhaltung eines gleichmäßigen Druckes in der Ofenanlage ist ein automatischer Absaugregler eingebaut, der den Druck in den Kammern ganz gleichmäßig auf +-0 hält. Hierdurch kann weder Luft angesaugt werden, noch können Rauchgase in die Retorten gelangen oder Ofengase in die Rauchkanäle entweichen.
Die Gasbeschaffenheit ist jetzt in Bezug auf die Wärmeeinheiten und auf das spezifische Gewischt eine sehr gleichmäßige. Der anfallende Koks ist viel dichter als bisher und sehr großstückig. Zum Brechen desselben muss noch eine Koksbrech- und Sortieranlage angeschafft werden, dann wird der Koks in den gleichen Korngrößen wie der Hüttenkoks geliefert werden können. Der Dampfkessel ist mit einer automatischen Speiseeinrichtung versehen, auch ist die Wasserreinigungsanlage vorhanden. Zur Bedienung, Wartung und Unterhaltung der Gesamten Anlagen ist jetzt je Arbeitsschicht nur 1 Facharbeiter erforderlich, während früher in jeder Schicht 2 angelernte Leute beschäftigt wurden. Durch den geringeren Kohlenverbrauch, die größere Gasausbeute, den geringeren Unterfeuerungsverbrauch, die bessere Koksbeschaffenheit und die geringeren Bedienungskosten lässt sich nicht nur das Neubaukapital verzinsen und amortisieren, sondern es kann jetzt auch wieder ein angemessener Gewinn an die Stadthauptkasse abgeführt werden, was in den letzten Jahren bei dem alten Retortenofenbetrieb nicht möglich war.
Es ist beabsichtigt, demnächst Staffelpreise einzuführen, die von einem bestimmten Gasverbrauch an eine wesentliche Verbilligung des Gaspreises bringen, dann wird mit einer starken Zunahme der Gasabnahme gerechnet. Durch Gaskoch- und Lehrvorträge soll demnächst auf die große Verwendungsmöglichkeit des Gases und die Vorteile der Gasverwendung hingewiesen werden. Es besteht Aussicht, in Kürze 40 Dienstwohnungen in der Kaserne mit Gas zu beliefern. Auch mit der Gemeinde Ufhoven werden demnächst Verhandlungen wegen der Gasversorgung dieser Gemeinde eingeleitet werden.
Lgs. Tagesblatt 27.10.1930